Und plötzlich überkam auch die Nachgeborenen so etwas wie eine Ahnung: Als am Ende der Gedenkmatinee, die man Mitte März für Benno Besson im Deutschen Theater Berlin veranstaltete, noch einmal der alte Weinbauer Trygaios sein Friedenslied anstimmte, da brach in die Trauerstimmung für eine kurze Spanne Zeit ein utopischer Moment: „Die Oliven gedeihen, der Krieg ist vorbei …“. Der praktizierende Rabbiner Fred Düren aus Tel Aviv, einst umjubelter Star des Deutschen Theaters, sang und tanzte auf seiner ihm so vertrauten Bühne, und die 33 Jahre, die „Der Frieden“ von Peter Hacks in der Inszenierung Bessons nicht mehr auf dem Spielplan steht, waren wie weggewischt.
Nie wird wohl, wer nicht dabei war, die Bedeutung erfassen, die die Aufführung des „Friedens“ 1962 für die Theaterwelt in der DDR hatte. Friedrich Dieckmann vermag im Beiheft der nun vorliegenden CD/DVD-Edition in einem so kenntnisreichen wie umfassend argumentierenden Essay immerhin die historische Dimension auszuloten. Die Kunst jedoch bedarf der Anschauung, und hier leisten CD und DVD das maximal Mögliche. Die CD enthält eine Hörspielproduktion, die 1964 auf Basis der Inszenierung Bessons, ebenfalls unter dessen Regie, entstand. Hier entfällt einiges von der komödiantischen Unmittelbarkeit der Aufführung, zumal einige der deftigsten und anstößigsten Szenen der Geschichte des Trygaios, der auf einem Mistkäfer gen Himmel fliegt, um die Friedensgöttin aus den Klauen des Krieges zu befreien, gestrichen sind vermutlich zugunsten gesteigerter Lehrhaftigkeit. Umso verfeinerter präsentiert das Hörspiel jedoch die Sprachkunst der Schauspieler: der durch alle Tonlagen schweifende Singsang Fred Dürens als Trygaios, die näselnde Distinktion Klaus Pionteks als Hermes oder die polternden Repliken Reimar Johannes Baurs als Chorführer. Auf der DVD findet sich dann eine von Beate Rosch realisierte „audiovisuelle Dokumentation“ der Inszenierung, d.i. ein Audio-Mitschnitt aus dem Theater von 1963, zu dem stimmig und stimmungsvoll Inszenierungsfotos sowie, seltener, Skizzen des Ausstatters Heinrich Kilger eingeblendet werden: So läßt sich ein Bild gewinnen. Und vollends wunderbar ist das neunminütige Bonusmaterial: In einem Filmbericht des DDR-Fernsehens sieht man Düren wie einen Irrwisch über die Bühne fegen, sieht ihn anmutig von den gedeihenden Oliven singen, sieht die widerspenstig-bizarren Tänze des Chores und erneut überkommt den Nachgeborenen eine leise Ahnung…
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Wolfgang Behrens, Theater der Zeit, September 2006 |
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